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Giorgio Maggiore: Radioanima (Review)
Artist: | Giorgio Maggiore |
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Album: | Radioanima |
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Medium: | CD | |
Stil: | Düsterer Alternativrock mit Proganleihen |
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Label: | Eigenvertrieb (Astolfo The Parakeet Records) | |
Spieldauer: | 58:44 | |
Erschienen: | 19.09.2008 | |
Website: | [Link] |
Nicht dass jemand denkt, ich werde hier langsam zum Haus-und-Hof-Kritiker von GIORGIO MAGGIORE. Aber trotz anfänglich recht negativer Kritiken zu seinen Alben meinerseits, schickt er mir jedes Mal, wenn ein neues Album von ihm erscheint, ein entsprechendes Exemplar zu und verrät mir Hintergründe zu den Texten. Ein Klaus Wowereit würde dazu mit ziemlich wolllüstigem Blick sagen: „Und das ist gut so!“ Jawohl, ich kann mich dieser Aussage in Bezug auf Giorgio nur anschließen.
Bereits beim Betrachten der wiederum unglaublich liebevoll gestalteten Verpackung der CD, die in Form einer Mini-LP-Hülle daherkommt, erkennt man sofort in welche Richtung sich das Album bewegen wird: düstere Klänge und finstere Texte. Eine klangvolle Zeit zwischen dem Einschlafen und einem ersten Albtraum. So ähnliche Musik hat man doch erst kürzlich im Kino gehört, als es um ANTON CORBIJNS Verfilmung des Lebens und selbstmörderischen Sterbens von IAN CURTIS, dem Sänger von JOY DIVISION, ging. Und ein kleinwenig klingt „Radioanima“ (Radio-Seele) wie der passende Soundtrack dazu.
Zum letzten, also dem bis dato dritten Album von Maggiore (Dentro Ai Tuoi Sogni), schrieb ich folgendes:
„‚In deinen Träumen’ heißt der Silberling und er beginnt ganz im Sinne dieses Titels. Ein Piano, zart, verträumt und etwas traurig, eröffnet MAGGIOREs Traum-CD. Doch plötzlich tauchen Lichtblitze in Form einer sich steigernden, immer stärker in den Vordergrund drängenden Synthesizerfläche auf, die irgendwie etwas Bedrohliches in sich trägt. So als würde man langsam einschlafen, aber während des Überganges von der Wach- in die Schlafphase nicht wissen, ob die Träume schön oder schrecklich sein werden, also Wunsch- oder Albträume. Und von diesen wechselnden Stimmungen lebt auch ‚Dentro Ai Tuoi Sogni’“.
Ganz unbewusst habe ich in meinem zweiten Absatz dieser Kritik wieder das Traummotiv verwendet. Aber gerade dieses Motiv drängt sich einem beim Hören von „Radioanima“ (Radio Seele) penetrant auf (und verweist auch auf die deutlichen Ähnlichkeiten zu „Dentro Ai Tuoi Sogni“). Nur gibt es diesmal nicht einen Wechsel zwischen düsteren und durchaus lichteren Momenten, sondern die Grundstimmung ist traurig, etwas beklemmend und nichts für depressiv veranlagte Zeitgenossen. Liebe Freunde, der Herbst kann kommen, die dunkle Jahreszeit, der bedrückende Abschied vom Sommer – aber auch die Farbvielfalt der bunten Blätter, die Schönheit von Regentropfen, die verspielt am Fenster herabrinnen, oder die frische Luft, in der man freier atmen kann ... das alles hört man auch auf „Radioanima“. Eine Radio-Seele stimmt uns erwartungsvoll auf eine besondere Zeit ein, die, ohne dem Vergangenem hinterherzuheulen, ein „Willkommen und Abschied“ ist – zumindest aus Goethes Sicht.
Und wo wir schon bei Goethe sind, muss ich natürlich auf ein absolutes Novum in Maggiores viertem Album hinweisen. Mit „Wie wird meine Zukunft?“ gibt es erstmals einen deutschen Text von ihm zu hören – ein wenig gebrochen gesungen, aber ungeheuer reizvoll. Ganz ähnlich ging es uns doch auch, als wir von PETER GABRIEL sein „Deutsches Album“ in den Händen hielten und den mitunter fast unverständlich auf Deutsch gesungenen Texten unseres ehemaligen GENESIS-Helden lauschten!? Auch seine Texte waren zum Großteil düster, genauso wie Titel 8 von „Radioanima“, wenn wir solche Worte wie „Ich habe sehr schlecht gelebt, / mit vielem und tiefem Schmerz ...“ oder „Ein grausames Schicksal, / die einzige Hoffnung bleibt, / ich möchte wissen: / Wie wird meine Zukunft?“ hören. Allein diese Zeilen sollten mit ein wenig Vorstellungskraft auch auf die musikalische Stimmung verweisen, die aus einer Kombination von akustischer Gitarre, elektrischem Bass, getragenem Synthi und verschiedenen Perkussions-Instrumenten besteht.
Mit einer dreiteiligen, knapp zehnminütigen Symphonie (a: Elektromagnetische Stürme / b: Radio Seele / c: Isofrequenzen) beginnt das durchgängig in blauen Farben gestaltete Album. Eine getragene Synthesizerfläche, die an Streicher erinnert, eröffnet den ersten Teil, welcher von tiefem, etwas bedrohlichem Gesang abgelöst wird, der mit Piano, Gitarre und Schlagzeug unterlegt ist und eine schöne Melodie in sich trägt, um dann in einer musikalischen Kombination aus Synthesizer und Klavier zu enden. Schon hier wird dem Hörer klar, dass Maggiore eine ganz besondere Leidenschaft für seinen Synthesizer entwickelt hat, die in fast jedem Titel von „Radioanima“ zum Tragen kommt.
„Liberi“ (Frei) klingt dann mit dem etwas theatralischen Gesang wie ein musikalischer Abschiedsbrief, in dem sarkastisch die neu gewonnene Freiheit gepriesen wird, in die sich auch einige nachdenkliche Töne einschleichen, die darauf verweisen, dass die Freiheitsfreude wohl doch nicht ganz so ehrlich gemeint ist. Und damit verlassen wir schon den fast aggressivsten Titel des Albums, der durch E-Gitarren und vordergründige Perkussionseinlagen bestimmt ist.
Aufklärung zur gewonnenen Freiheit erhalten wir dann in „Speranze Tradite“, den „verratenen Hoffnungen“, diese werden mit einem von sanften Synthesizer-Flächen unterlegten Klavier offenbart, wobei sich eben alle Worte erübrigen, aber leider die musikalischen Motive auch erneut wiederholen.
Der Schlüssel zur „La Porta“ (Tür) ist wieder die von Gitarre und Schlagwerk begleitete Stimme Maggiores. Er klopft mit Melodien an und bittet um Einlass in die geheimnisvolle Welt, die sich dahinter verbirgt. Ist es ein zum Ungeziefer gewordener Gregor Samsa aus Kafkas „Verwandlung“ oder die Verlockung einer schönen Frau, die dort auf uns wartet? Die Musik zumindest lässt alles offen.
Drei getragenen Instrumentalstücke (Rintocchi = der Schlag / Ricordi Improvvisi = Plötzliche Erinnerungen / Inno = Hymne) bauen dann die Spannung auf eine neue Überraschung auf, die mit dem deutsch gesungenen „Wie wird meine Zukunft?“ tatsächlich stehenden Fußes folgt. Allerdings konnte man unmittelbar vor der deutschen Offenbarung schon mit „Inno“ Klänge vernehmen, die für Maggiore völlig neu erschienen – und an den japanischen Elektronik-Pionier TOMITA erinnerten.
Leider warten dann keine weiteren Überraschungen mehr auf uns und die letzten beiden Titel wecken nur noch Erinnerungen an das ähnlich gelungene Vorgänger-Album Maggiores. Selbst „Unsterbliche Gedanken“ (Pensieri Immortali) helfen mir über diesen Eindruck nicht hinweg.
FAZIT: Es ist Herbst. „Radioanima“ ist das ideale Begleitalbum für diese Jahreszeit. Dunkle Klänge – aufgelockert durch wundervolle Musik-Farbtupfer!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Radioanima
- a) Tempeste Elettromagnetiche
- b) Radioanima
- c) Isofrequenze
- Liberi
- Speranze Tradite
- La Porta
- Rintocchi
- Ricordi Improvvisi
- Inno
- Wie wird meine Zukunft?
- In Fondo All’anima
- Pensieri Immortali
- Bass - Giorgio Maggiore
- Gitarre - Giorgio Maggiore
- Keys - Giorgio Maggiore
- Schlagzeug - Giorgio Maggiore
- Oasi Di Cemento (2005) - 7/15 Punkten
- I Colori Che Cambiano (2006) - 8/15 Punkten
- Dentro Ai Tuoi Sogni (2007) - 11/15 Punkten
- Radioanima (2008) - 11/15 Punkten
- La Danza Nel Labirinto (2010) - 8/15 Punkten
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